AUTOINDUSTRIE: HAT SICH MERCEDES VERKALKULIERT?

Die Gewinne bröckeln, der Absatz von Modellen im Top-Segment geht deutlich zurück. In Stuttgart fragt man sich, ob die Luxus-Strategie zu ambitioniert war. Doch auch andere deutsche Hersteller schwächeln - aus unterschiedlichen Gründen.

Hat sich Mercedes verkalkuliert?

Ein Wort benutzt Mercedes-Chef Ola Källenius in jüngster Zeit auffallend selten: Luxus. Als der Stuttgarter Konzern vor zwei Jahren seine neue Strategie vorstellte, sah das noch ganz anders aus. "Sustainable Luxury", also nachhaltiger Luxus, das sollten die Autos zukünftig sein, wie Källenius bei jeder Gelegenheit betonte.

Die Schwaben wollen in einer Liga spielen mit Herstellern wie Porsche. Den Geländewagen G-Klasse verglich Källenius gerne mit der "Birkin Bag", der Handtasche von Hermès, auf die man auch mal über ein Jahr warten muss, weil nur wenige Exemplare hergestellt werden, die Nachfrage aber enorm ist.

Doch es mehren sich Zweifel, ob Mercedes wirklich so luxuriös sein kann, wie es der Konzern gerne wäre. Denn die Gewinnmarge bröckelte zuletzt, im ersten Quartal waren es nur noch neun Prozent, der Ausblick für 2024 liegt auch nur im unteren zweistelligen Bereich. Echte Luxushersteller wie Porsche oder Lamborghini streben dagegen mindestens 20 Prozent an. Und dann verkaufte Mercedes ausgerechnet im Top-Segment, wo etwa die S-Klasse oder die Maybach-Modelle angesiedelt sind, im ersten Quartal auch noch 27 Prozent weniger Fahrzeuge. Der Gewinn sackte um fast ein Drittel auf 3,9 Milliarden Euro ab. "Wir sehen eine Marktschwäche, der sich Top-End-Produkte nicht entziehen konnten", erklärte Finanzchef Harald Wilhelm. Doch ist die Definition von Luxus nicht eigentlich, dass er auch in Krisenzeiten funktioniert?

"Wunsch und Wirklichkeit liegen weit auseinander", sagte Ingo Speich als Vertreter von Deka Investment daher auf der Hauptversammlung am Mittwoch, die lediglich virtuell stattfand. Einen wichtigen Grund dafür sieht Speich im schwächelnden China-Geschäft von Mercedes. Dort kommen bisher vor allem die elektrischen Modelle der Schwaben schlecht an, insbesondere die Verkaufszahlen der elektrischen Limousine EQS bleiben hinter den Erwartungen zurück. Die Chinesen mögen weiterhin die Verbrenner-S-Klasse, weshalb Mercedes die Preise für den EQS bereits gesenkt hat. "Ladenhüter und Preisreduzierungen passen nicht ins Luxussegment", sagte Deka-Vertreter Speich.

Tatsächlich hat sich Mercedes in China, dem wichtigsten Automarkt, im Elektrogeschäft verkalkuliert. Die Schwaben setzten beim EQS auf ein windschnittiges Design, das weniger Verbrauch und damit hohe Reichweiten ermöglichte. Doch den Chinesen sind andere Dinge wichtiger, wie viel Platz auf der Rückbank oder Spiele-Apps auf großen Displays. Deshalb musste Mercedes seine elektrische Luxuslimousine nachbessern. Ob das hilft, die Nachfrage anzukurbeln, muss sich erst noch zeigen.

"Der Wettbewerb wird härter."

Auch den anderen deutschen Premiumherstellern geht es momentan nicht besser, aus unterschiedlichen Gründen. Bei Audi brach der Gewinn im ersten Quartal um mehr als die Hälfte ein und auch BMW teilte am Mittwoch mit, dass man zwischen Januar und März weniger Geld verdient hat als im Vorjahreszeitraum. "Der Wettbewerb wird härter", sagte BMW-Finanzvorstand Walter Mertl. Weil nach der Pandemie die Autoproduktion wieder rund läuft und mehr Fahrzeuge verfügbar sind, gehen die Preise für Neu- und Gebrauchtwagen zurück. Zugleich schlägt die Inflation insbesondere bei den Löhnen durch. Im ersten Quartal verdiente BMW knapp drei Milliarden Euro, das ist knapp ein Fünftel weniger als vor Jahresfrist. Die für das Unternehmen wichtige Gewinnmarge im Autogeschäft lag mit 8,8 Prozent um 3,3 Prozentpunkte unter dem Vorjahresniveau.

Laut BMW geht die Nachfrage nach Premiumautos vor allem in China zurück, dagegen wollten weltweit mehr Menschen Autos im mittleren Preissegment kaufen. Ein Trend, den auch Mercedes zuletzt spürte - und der die Luxus-Strategie infrage stellt. Zwar stieg der durchschnittliche Verkaufspreis für einen Mercedes-Neuwagen allein von 2019 bis 2023 von 51 000 auf 74 000 Euro. Doch es gibt Zweifel daran, wie weit man diese Zahl noch nach oben treiben kann.

Denn die Schwaben würden gerne noch mehr superteure Luxuswagen verkaufen, die eine deutlich höhere Rendite bringen, doch die Kunden interessieren sich aktuell eher für günstigere Modelle des Konzerns. Bis 2026 soll der Anteil der Einstiegsmodelle der A-Klasse und B-Klasse eigentlich von 30 auf 23 Prozent schrumpfen - zugunsten der besonders teuren Modelle. Doch 2023 wuchs ausgerechnet das günstigste Segment.

Und dann ist da noch der erzwungene Strategiewechsel bei den Elektroautos. Schon 2030 wollte Mercedes nur noch Batteriefahrzeuge verkaufen - oder zumindest darauf eingestellt sein, diese Nachfrage zu decken. Zwar gab es immer den Nachsatz, "wo die Marktbedingungen es zulassen", doch mittlerweile sind die Elektro-Erwartungen der Schwaben sogar deutlich unambitionierter als die der Konkurrenz. Gerade einmal die Hälfte aller Mercedes-Verkäufe sollen jetzt 2030 ein Elektro- oder Hybridauto sein. Stattdessen stellt sich das Unternehmen darauf ein, dass der Verbrenner bis in die 30er-Jahre eine große Rolle bei den Verkäufen spielen wird.

Wie BMW und Audi hofft auch Mercedes, dass das Geschäft im Laufe des Jahres wieder anzieht. Helfen sollen dabei neue Modelle wie die elektrische G-Klasse und die neue E-Klasse. Zudem sollen die Lieferschwierigkeiten bei 48-Volt-Batterien von Bosch, wegen der Mercedes zuletzt Zehntausende Autos weniger bauen konnte, bald behoben sein. Bis es im Mercedes-Einstiegssegment neue Elektroautos gibt, wird es allerdings noch bis 2025 dauern.

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